Unsere Vereinsgeschichte

Schon um das Jahr 1850 gab es nach Aussagen der ältesten Musikanten von 1939 und deren Vorgängern eine Blasmusikkapelle im Markt Nesselwang. Nach der Zeit im Jahre 1848 der endgültigen Bauernbefreiung und Jagdfreigabe konnten sich unter günstigeren Verhältnissen Vereine kultureller und gesellschaftlicher Art bilden und entwickeln. Zu dieser Zeit gab es noch häufige Auswanderungen nach Amerika. Es ist nicht mehr bekannt, wie stark die erste Blasmusikkapelle damals war, doch folgende Namen ihrer Mitglieder sind noch festgehalten: Eberle Johann, Eberle Albert, Sparrer Ludwig, Dopfer Michael, Hierling Sebastian, Kudermann Michael und Hiltensperger Martin.

Diese Kapelle war sowohl mit Blech- als auch mit Holzinstrumenten besetzt. Albert Eberle, der Holzinstrumentenmacher (Flautenmacher) dürfte hier wesentlich zur Bereicherung beigetragen haben. Die Tätigkeit dieser Musikgruppe umfasste hauptsächlich das Spielen bei Hochzeiten und Bällen. Ihre Mitglieder waren neben ihrer musikalischen Mitwirkung bei öffentlichen Veranstaltungen besonders durch ihre unbändige Trinkfestigkeit bekannt gewesen. So wurde erzählt, dass sie einmal eine Wette, unter einem Hochzeitsamt ein 60 Liter Fass Bier zu leeren, gewonnen hätten, nachdem sie einmal bei gleicher Gelegenheit im Gasthaus Post bei 53 Maß meinten, „man könnte eigentlich gerade schon noch mehr trinken“. Im Volksmund blieben 1939 noch weitere diesbezügliche Leistungen erhalten. Nach dem Jahre 1860 sollen dann die meisten dieser ersten Nesselwanger Blasmusikanten ersetzt worden sein. 1863 trat der Althornist Josef Anton Gabler, Bäckermeister aus dem Haus Nr. 18 (heute Hauptstr.23) das Amt des Dirigenten der „Blasmusik Nesselwang“ an. Die Besetzung war damals 10-stimmig. Die Musikinstrumente kauften damals die Musikanten selbst, meistens beim Blechinstrumentenmacher Riefler in Maria Rain, einem Bruder des bekannten Clemens Riefler (Begründer der Fa. Riefler, Fabrik mathematischer Instrumente in Nesselwang – 1841). Dort wurden auch Reparaturen ausgeführt. Die benötigten Noten beschaffte sich der Dirigent Josef Anton Gabler auf folgende Weise. Er tauschte seine Eigenkompositionen für 5-stimmige Tanzmusik bei der damaligen Militärmusik in Kempten gegen Konzertstücke zum Abschreiben. Diese Tanzstücke Gablers wanderten von Kempten dann später weiter und wurden um 1939 sogar von einer Kapelle im Rundfunk gespielt. Als Festkleidung wurden von der „Blasmusik Nesselwang“ damals schon einheitlich schwarze Anzüge mit hohen Zylindern getragen. In der Zeit des Aufbruchs der Nesselwanger Musikanten wurde das Vereinsleben durch den Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich-Bayern im Jahre 1866 jäh unterbrochen. Damals kamen die 41 eingezogenen Nesselwanger alle wieder gesund und unverwundet in ihre Heimat zurück.
Der Dirigent Josef Anton Gabler schulte in der Folgezeit seine 10-stimmige Blasmusik zu einer vorbildlichen Kapelle, die sich im weiten Umkreis einen guten Ruf erwarb. So wurden die Nesselwanger Musikanten mehrmals bei besonderen Anlässen von König Ludwig ins Schloss Hohenschwangau berufen, wo sie einmal die Ouvertüre „Dichter und Bauer“ unter großer Anerkennung aufführten. Dafür wurden sie reichlich bewirtet und mit einem 20 Mark-Goldstück (Goldfuchs) belohnt. Doch schon im Jahre 1870 kam es zum Krieg gegen Frankreich, der bis zum Frühjahr 1871 dauerte. Vier Musikmitglieder mussten damals mit vielen anderen Nesselwangern in diesen, mit großer Begeisterung geführten Krieg ziehen. Der Sieg über Frankreich und die Gründung des II. Deutschen Reiches gaben damals Anlass zu einer allgemeinen Euphorie, die sich auch im Vereinsleben, vor allem in der Musik (Militärmusik-Marschmusik) ausdrückte. Leider gab es auch damals schon Musikanten, die Starallüren hatten und durch Unzuverlässigkeit und Abwesenheit glänzten, was die Musikkapelle in immer größere Schwierigkeiten brachte. Kurz entschlossen bildete der unermüdliche Dirigent Gabler einige Burschen aus, um eine neue Kapelle aufzustellen. In den Jahren 1883/84 schulte er nun sieben junge Bläser heran und konnte schon ab 1885 eine 9-stimmige Blechmusik präsentieren. Die Instrumente kauften die jungen Musiker selbst, nur ein neuer Bombardon wurde durch eine Haussammlung finanziert. Am Veteranenjahrtag 1885 spielte die Blechmusikkapelle das erste Mal auf. Dirigent war nun der jeweilige Hoch C Trompeter, von 1885-87 Unsinn Michael und ab Dezember 1887 Köberle Otto, der spätere Schwiegersohn des Dirigenten Josef Anton Gabler. Als Probelokal diente das Nebenzimmer des Gasthauses „Hirsch“, später auch das Haus des Altdirigenten Gabler, heute Hauptstr. 21. Folgende Fotoaufnahme aus dem Jahr 1887 zeigt diese 9-stimmige Blechmusik.

Die Kapelle von 1878

Die Kapelle von 1878 von links sitzend: Hösle Johann, Sommer Ludwig, Huber Fidel, Köberle Otto; stehend: Schmid Joseph, Eberle Alexander, Unsinn Martin, Unsinn Michael, Gaismayer Otmar.

Als nun diese junge Blechmusik ans Werk ging, war es den alt ausgeschiedenen Musikanten nicht mehr wohl und sie stellten den Antrag, eine so genannte „Türkische Musik“ aus Jung und Alt zusammenzustellen. Altdirigent Gabler übernahm dann deren Leitung. Geprobt wurde in seinem Haus. Diese neue Besetzung bestand nun aus Holz und Blechbläsern, deshalb der Name „Türkische Musik“ und bestand aus 20 Mann. Sie spielten erstmals 1888 beim 25-jährigen Feuerwehrjubiläum und später dann bei mehreren Anlässen. Doch schon nach 5 Jahren beendete nach dem Ausscheiden einiger älterer Mitglieder und auch alter Instrumente diese „Türkenmusik“ ihre Tätigkeit. Der bewährte und unermüdliche Dirigent Josef Anton Gabler konnte damals auf eine 27jährige Tätigkeit zurückblicken und beschloss hiermit auch seine Laufbahn. Nun verblieb wieder die junge 9-stimmige Blechmusik als einzige Kapelle im Ort. In den nun folgenden Jahren gab es viel Wechsel bei den Musikanten und Schwierigkeiten verschiedenster Art bleiben der Blechmusik nicht erspart. So hatte sich wieder eine große Schar junger Burschen und Männer zur Blasmusik gemeldet. Die Ausbildung übernahm der Dirigent Otto Köberle, der im Jahre 1895 die Tochter seines Amtsvorgängers, Marianne Gabler geheiratet hatte. Aus der ehemaligen „Blechmusik“ war seit dem Jahre 1903 eine „Blechmusikgesellschaft Nesselwang“ hervorgegangen und erfüllte auch weiterhin viele örtliche Verpflichtungen des musikalischen Lebens.
Bei der Feierlichkeit der Grundsteinlegung der neuen Pfarrkirche St. Andreas am 9. Oktober 1904, sowie zwei Jahre später bei der Einweihung durch einen Sohn Nesselwangs, dem Augsburger Bischof Maximilian von Lingg, trugen die Nesselwanger Musikanten zur musikalischen Umrahmung bei. Am 15.Mai 1907 machte die Blechmusikgesellschaft Nesselwang ihren ersten Ausflug ins benachbarte Tannheimer Tal, wo auch mitunter bei Tiroler Rotwein munter aufgespielt wurde. Dies förderte den Zusammenhalt und die Gesellschaft im Vereinsleben und galt auch als Lohn für die harte Probenarbeit während des ganzen Jahres. Das folgende Bild zeigt die Blechmusikgesellschaft Nesselwang in der 11-Mannbesetzung

Die Kapelle von 1907

Namen: Dirigent – Köberle Otto
Hoch C – Trompeter Allgaier Hans
Flügelhorn – Hutzmann Ignatz
Althorn – Brenner Max u. Hutzmann Josef
Trompete EsI – Enderle Otto
Trompete EsII – Köberle Rupert
Baßtrompete I – Hösle Hans
Baßtrompete II – Doser Xaver
Posaune – Köberle Andreas
Baß – Schmid Fidel

Jetzt wurden die Nesselwanger Musikanten zu zahlreichen Festlichkeiten und Veranstaltungen des örtlichen Lebens geholt. Sie spielten aber auch bei Faschingsbällen, Hochzeiten und auch bei Vereinsfesten in den Nachbarorten, ja sie wurden sogar zu einem Schützenfest nach Görisried geholt. Ein besonderes Ereignis war das 50 jährige Jubiläum der Nesselwanger Feuerwehr am 10.August 1913. Ein Foto von diesem Parademarsch (Festzug) zeigt die Musikkapelle, wie sie mit klingendem Spiel durch die vordere Steinach (heute von Lingg-Straße) zieht, gefolgt von Feuerwehrmännern mit blitzblank polierten Messinghelmen. Die Musikanten trugen damals einheitlich schwarze Gogs (Melone).

Parademarsch von 1913

Am 1.August 1914 brach der 1. Weltkrieg aus, welcher mit eiserner Faust den so hoffnungsvollen Aufbruch der Nesselwanger Musikkapelle zerstörte. Alle jungen, und viele der älteren Musikanten mussten sofort einrücken und standen schon bald an den verschiedenen Fronten. Der Dirigent Otto Köberle konnte gerade noch 9 Mann zusammenbringen. Als am 11. November 1918 der Waffenstillstand in Kraft trat, beklagte Nesselwang 48 Kriegstote. Die kleine Musikkapelle spielte bei jeder Gefallenenehrung und so gut es ihnen möglich war, auch bei sonst üblichen Anlässen. Im Jahr 1915 war die kleine Kriegsbesetzung auf acht Mann gesunken, die nun in der Stube des „Steigbauern“ Hutzmann, jetzt Labenz in der Römerstraße, Platz gefunden hatten, um zu proben. Mit viel Fingerspitzengefühl versuchte der Dirigent Otto Köberle nach Kriegsende seine Leute wieder zu Blasmusik und zum öffentlichen Wirken in der Heimat zu motivieren. Er scheute keine Mühe alle verfügbaren Musikanten und Instrumente zusammenzubringen, um seine Harmonie-Musik-Gesellschaft wieder neu entstehen zu lassen. Er plant die Kapelle auf 30 Mann aufzustocken. Als Probelokal wurde der Saal des „Bären“ bzw. Gastzimmer zur Verfügung gestellt. Otto Köberle gelang es innerhalb kürzester Zeit mit großem Eifer wieder eine gute Kapelle aufzubauen. Bereits an Ostern 1919 konnte das erste große Konzert im Bärensaal zweimal aufgeführt werden. Die folgende Fotoaufnahme von dieser erfolgreichen Musikkapelle zeigt die erste Nachkriegsbesetzung am Ostermontag vor dem „Bären“ mit bereits 27 Mann.

Die Kapelle von 1919

Doch auch die Zeit nach dem 1. Weltkrieg brachte im Vereinsleben große Schwierigkeiten mit sich. Die Kapelle spielte nur noch wenig bei Konzerten. Vereinsfeste fielen fast ganz aus und es wurde nur noch bei gemeindlichen Anlässen sowie am Fronleichnamstag und Veteranenjahrtag gespielt. Der Zusammenhalt der Musikkapelle begann sich im Jahre 1921 zu lockern. Die älteren Musikanten zogen sich immer mehr zurück, was im Spätherbst 1921 den Niedergang der Kapelle und schließlich die Aufgabe des Dirigenten Otto Köberle im Jahre 1929 nach 35 jähriger Tätigkeit zur Folge hatte. Zunächst gab es für die Nesselwanger Musikkapelle keine Zukunft mehr. Als einzige Tätigkeit verblieb das verantwortungsvolle Amt des „Signalisten“, der das „Feuerblasen oder Sturmen“ in Brandfällen übernahm. Der Schmiedemeister Josef Deng blies das „Feurio“ bis zu seinem Unfalltod 1929, danach sein Nachbar, der Schuhmachermeister Thomas Köberle.
Noch im Jahre 1923, nach der Stabilisierung der Verhältnisse, übernahm der Kaufmann Stefan Lerpscher das Amt des Dirigenten, das er bereits 4 Jahre später im Jahre 1927 abgab. Das Ausscheiden mehrerer Bläser hatte zu diesem Rücktritt geführt. Josef Köberle, der Sohn des langjährigen Dirigenten Otto Köberle, übernahm im März 1927 das Amt des Dirigenten bereits in der dritten Generation. Sein Großvater Josef Anton Gabler hatte diesen Posten 27 Jahre und sein Vater Otto Köberle 35 Jahre inne. Josef Köberle begann nun schwungvoll seine neue Tätigkeit. Meinungsverschiedenheiten und Unzufriedenheit brachten die freie „Harmonie-Musik-Gesellschaft“ immer wieder in große Schwierigkeiten. Deshalb entschloss sich der so umsichtige Dirigent Josef Köberle im Jahre 1929 zur Gründung eines eingetragenen Vereins mit Statuten, der auf eine geregelte Grundlage gestellt wurde. Dieser Verein wurde jetzt als „Harmoniemusik Nesselwang“ benannt und am 27.Februar 1930 ins Vereinsregister des Amtsgerichts Füssen eingetragen. Eine Woche nach der Vereinsgründung am 6. September 1929 fand die Wahl der ersten Vorstandschaft statt, welche folgendes Ergebnis hatte.

1. Vorstand – Josef Kerpf
Dirigent – Josef Köberle
Kassier – Ignatz Hutzmann
Schriftführer – Otto Kappeler

Die Harmoniemusik entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem ganz bedeutenden Faktor des musikalischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in der Marktgemeinde Nesselwang.
In der Zeit der Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, die auch in Nesselwang sehr hart spürbar war, gelang es nur mit Mühe den Verein hochzuhalten. Doch der Vorstand Josef Kerpf und der Dirigent Josef Köberle waren ein vorzügliches Gespann. Sie meisterten mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen die Schwierigkeiten dieser Zeit und hielten den Verein zusammen. Zur Hebung des örtlichen Fremdenverkehrs wurden schon 1930 die ersten Standkonzerte am Kriegerdenkmal gespielt.
Das Jahr 1933 brachte der Musikkapelle so manches Neue. Sie wurde vom Orsgruppenleiter der NSDAP genötigt, bei Parteiversammlungen und zwar im „Geist der Neuen Zeit“ zu konzertieren und bei Propaganda und Fackelzügen der Partei und zu Ehren des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler mitzuwirken. Nationales Phatos und schneidige Marschmusik war gefragt und gehörte nun zum festen Bestandteil jeder öffentlichen Veranstaltung. Bei eintreffenden Sonderzügen mit Gästen der staatlichen Freizeitorganisation KDF (Kraft durch Freude), zu deren Unterhaltung im Bärensaal und Verabschiedungen trat die Harmoniemusik sehr oft auf.

Die Kapelle von 1938

Von links-vordere Reihe: Landerer Alois, Haug Alois, Huber Adolf, Kerpf Josef.
Von links-hintere Reihe: Schindele Theodor, Weiß Georg, Unsinn Josef.

Im Jahre 1935 musste nun im Rahmen der politischen Gleichschaltung anstelle eines Vereinsvorstandes ein sog. „Vereinsführer“ gewählt werden. Der bislang amtierende Vorstand Josef Kerpf wurde zwar einstimmig zu diesem Posten mit der neuen Formulierung berufen, doch er nahm aus politischen Gründen das Amt nicht an. Für vieles was der Musikkapelle zu dieser Zeit aufgebürdet wurde, konnte er seine Zustimmung nicht geben. So wurde jetzt der bisherige Schriftführer Otto Kappeler neu gewählt.
Als am 1.September 1939 der zweite Weltkrieg ausbrach, mussten sofort neun Mitglieder der Harmoniemusik einrücken. Zwei von ihnen, Josef Unsinn und Alois Haug konnten nach einiger Zeit wieder zurückkehren. Nun musste der Dirigent Josef Köberle improvisieren, um mit seiner stark geschrumpften kleinen Kapelle auch weiterhin die örtlichen Belange erfüllen zu können. Als im Frühjahr 1945 der völlige Zusammenbruch Deutschlands diese furchtbare Zeit beendete, hatte Nesselwang 130 Gefallene zu beklagen. Die Harmoniemusik musste zunächst vier ihrer Mitglieder opfern, nach Kriegsende starben noch zwei weitere an den Kriegsfolgen. Dies waren Schindele Theo – Huber Adolf – Kiechle Willi – Weiß Georg – Eberle Klement und Thanner Pankraz. Die Zeit nach dem düsteren Ende des Krieges mit all ihrer Not ließ nicht viel Raum für Frohsinn und Musizieren. Doch der unverwüstliche Dirigent Josef Köberle brachte es schließlich doch fertig, dass allen Umständen zum Trotz, die Harmoniemusik schon beim ersten Fronleichnamsfest 1946 nach dem Krieg wieder in gewohnter Form auftreten konnte.

Im Laufe der Zeit gab es nun auch wieder etwas mehr Freude und Fröhlichkeit im Leben der Bevölkerung. So wurden 1948 wieder einige Faschingsbälle unter Mitwirkung der Harmoniemusik abgehalten, Trachtenfeste und Jubiläen gefeiert. Das folgende Bild zeigt die Harmoniemusik 1948 beim Trachtenfestzug in Immenstadt.

Harmoniemusik 1948 beim Trachtenfestzug in Immenstadt

Am 21. Oktober 1948 konnte der langjährige Vorstand Otto Kappeler wieder erstmals seit 1939 eine Generalversammlung abhalten, bei der er nach 14jähriger Vereinsarbeit zurücktrat. Sein Nachfolger wurde der Fuhrunternehmer Theodor Martin. Die Blaskapelle war nun wieder auf 25 Mann angewachsen. Im Jahre 1951 erfolgte der Beitritt zum Allgäuer Musikbund. Am Hl. Abend 1952 spielte erstmals eine Bläsergruppe der Harmoniemusik weihnachtliche Weisen hoch vom Kirchturm der Pfarrkirche St. Andreas herunter. Diese Tradition wurde bis heute fortgesetzt. Die folgende Aufnahme zeigt die Harmoniemusik 1952.

Die Kapelle von 1952

Von links- sitzend: Josef Unsinn, Mayr Reinhold, Hägele Adolf, Josef Köberle (Dirigent), Franke Franz, Haug Alois, Erhart Richard.
Von links- -zweite Reihe: Landerer Alois, Allgaier Rudolf, Tyll Adolf, Kerpf Josef, Martin Theodor, Köberle Thomas, Eberle Herbert, Böck Xaver.
Von links- -zweite Reihe: Hutter Hermann, Bader Alfons, Settele Anton, Lipp Magnus, Kappler Otto, Gröschl Franz, Böck Ludwig, Keller Schorsch.

Der langjährige und beliebte Dirigent Josef Köberle war im Frühjahr 1953 schwer erkrankt und musste seinen Taktstock aus der Hand legen. Er verstarb am 14. Mai 1953. 26 Jahre war er der Harmoniemusik als Dirigent vorgestanden. Schweren Herzens trugen die Musikanten ihren „Vater“ Josef Köberle zu Grabe. Als Nachfolger wurde der stellvertretende Dirigent Alois Landerer bestimmt. Im gleichen Jahr legte nun auch der Vorstand Theodor Martin sein Amt nieder. Sein Nachfolger war Adolf Hägele. Im Jahr 1956 kam es zu Differenzen mit dem Dirigenten, der darauf sein Amt niederlegte. Der Füssener Dirigent Pleimeier half vorübergehend aus. Bei der Generalversammlung im selben Jahr wurde der bisherige Vorstand Adolf Hägele aus Schneidbach zum Dirigenten und Richard Erhart aus Hertingen zum Vorstand gewählt.
Franz Gröschl, einer der talentiertesten Musikanten übernahm am 14.Dezember 1960 das Dirigentenamt, nachdem er einen Dirigentenkurs mit der Note „vorzüglich“ abgeschlossen hatte. Sein Amtsvorgänger Adolf Hägele wurde als Dank für seine Arbeit mit dem Marsch „Alte Kameraden“ verabschiedet. Franz Gröschl begann seine Dirigentenlaufbahn mit großem Schwung.
Zum ersten Mal führte die Musikkapelle am Palmsonntag 1961 die Palmprozession vom Schulhof zur Kirche an. 1962 veranstaltete die Bergwacht Nesselwang erstmals eine große öffentliche Nikolausveranstaltung, die von der Harmoniemusik mit weihnachtlichen Weisen stimmungsvoll musikalisch umrahmt wurde. Im Frühjahr 1963 wurde die Musikkapelle neu eingekleidet. Am 19. Mai, dem Tag der Blasmusik, konnten der Dirigent Franz Gröschl und der Vorstand Richard Erhart vormittags in der Kirche und beim abendlichen Frühjahrskonzert ihre Musikanten im neuen Gewand vorstellen. Das „Allgäuer Gwand“ bestand aus einer moosgrünen Jacke, weinrotem Wams, schwarzer Bundhose, grauen Strümpfen und Haferlschuhen. Den breitkrämpigen Hut zierte eine graue Kordel. Erstmals feierte die Feuerwehr 1966 den St. Florianstag, der beim abendlichen Gottesdienst und anschließendem Fest von der Harmoniemusik umrahmt wurde. Aus gesundheitlichen Gründen musste 1966 der 1. Vorstand Richard Erhart seinen Posten aufgeben. Als Nachfolger wurde der langjährige stellvertretende Vorstand Josef Allgaier aus Wank gewählt. In diesen Jahren wurde der Nesselwanger Marsch immer populärer. Der ehemalige Dirigent Josef Köberle hatte ihn komponiert. Nach seinem Tod wurden diese Noten der Harmoniemusik zum Vermächtnis. Franz Gröschl verstand es ganz besonders dieses schöne Erbe seinen Musikanten einzuprägen, was heute immer noch mit Erfolg gelingt.
Ein großes Ereignis war 1968 die Erringung der olympischen Goldmedaille in der Nordischen Kombination durch den Nesselwanger Franz Keller. Seine Heimkehr aus Grenoble wurde stürmisch gefeiert und von der Harmoniemusik festlich umrahmt.

Pro - Musika - Plakette

Um 1970 wurde festgehalten, dass die Blaskapelle bei den Nesselwanger Traditionsbällen „Windgässler“ und „Obermärktler“ wie in der Vergangenheit wieder kräftig mitmischt.
Die Europameisterschaft der Nordischen Junioren im Jahre 1971 wurde für die Harmoniemusik zu einer großen Herausforderung. Alle Wettbewerbe wurden wie schon 1967 bei den Deutschen Nordischen Skimeisterschaften mit den von Franz Gröschl dafür komponierten Fanfarenstücken eröffnet. Er stellte eine sechsköpfige Gruppe aus Fanfarenbläsern zusammen, die auch bei allen Siegerehrungen spielte. 1971 gab Josef Allgaier seine Vorstandschaft ab. Sein Nachfolger wurde Rudi Abt aus Bayerstetten, der bisher auch Stellvertreter des Dirigenten war. Im Jahre 1973 konnte die Musikkapelle bereits auf ein 123jähriges Bestehen zurückblicken. Aus diesem Anlaß wurde beim Frühjahrskonzert desselben Jahres dem 1.Vorstand Rudolf Abt die „Pro – Musika – Plakette“ vom Präsident des Allgäu-Schwäbischen-Musikbundes überreicht. Diese Plakette wird Musikkapellen für 100jähriges kulturelles Wirken in der Gemeinde verliehen.

Am 24.Juni 1974 konnte die Harmoniemusik mit einem Kurkonzert den neuerbauten Musikpavillon im Kurpark eröffnen. Im September 1974 wurde in Nesselwang zum ersten Mal ein Viehscheid veranstaltet. Die Musikkapelle wirkt seitdem bei dem schon zur Tradition gewordenen Fest tatkräftig mit. Das ganztägige Musizieren sowie die Bewirtung im Festzelt mit allerlei heimischen Spezialitäten, zubereitet und serviert von den Musikantenfrauen gehört seitdem zum festen Bestandteil des Festes und ist bis heute Aufgabe des Vereins. Natürlich werden nur die heimischen Biere der Post -und Bärenbrauerei ausgeschenkt. 1975 wurde in einem Münchner Tonstudio gemeinsam mit Nesselwanger Gruppen eine Musikkassette hergestellt.
Die Harmoniemusik brachte den Nesselwanger Marsch und die Uschi Polka zur Aufnahme. Franz Gröschl konnte dieserzeit von 98 Proben und Aufführungen im Jahr berichten, wobei noch 30 Proben für Zöglinge hinzukommen. Die Jungbläser bildete er alle selber aus.

Gruppenaufnahme der Harmoniemusik 1978

Die Kapelle von 1978

Von links-vorderste Reihe: Albrecht Hans, Heel Martin, Keller Klemens, Korn Gabi.
Von links-vorderste Reihe-sitzend: Allgeier Konrad, Allgeier Josef, Gröschl Franz (Dirigent), Gschwend Josef, Böck Xaver, Böck Ludwig, Unsinn Josef, Hägele Matthias.
Von links-dritte Reihe: Stöckle Siegfried, Abt Rudolf, Schlichtling Dieter, Ott Adalbert, Haug Josef, Waibel Bruno, Heel Josef, Keller Georg, Wörz Josef, Lotter Karl.
Von links-vierte Reihe: Mayr Siegfried, Gantner Bernhard, Unsinn Alois, Endras Josef, Erhart Franz, Stöckle Willi, Wohlfart Anton, Guggemos Johann,
Von links-hinterste Reihe: Wörz Norbert, Schall Theo, Allgeier Franz, Unsinn Martin, Stöckle Karl, Böck Fritz, Allgaier Rudolf.

1980 gab es dann einige Veränderungen an der Vereinsspitze. Franz Gröschl trat nach 20jähriger unermüdlicher Tätigkeit als Dirigent und Ausbilder aus gesundheitlichen Gründen zurück. Er wurde 1981 zum Ehrendirigent ernannt und spielt heute noch als Flügelhornist in der Kapelle mit. Sein 1. Stellvertreter Rudolf Abt, gegenwärtig auch 1. Vorstand, übernahm nun die Dirigentenstelle. Als neuer Vorstand wurde Franz Erhart aus Hertingen gewählt. Siegfried Stöckle und Bernhard Gantner absolvierten mit Erfolg den Dirigentenkurs. Dirigent Rudolf Abt bat nun um seine Ablösung. Er meisterte hervorragend seine Arbeit als Dirigent in einem schwierigen Übergangsjahr in der Kapelle. 1981 wurde Siegfried Stöckle zum neuen Dirigent ernannt. Am 11.November wurde erstmals ein St. Martinsumzug der Kinder eingeführt, der bis heute alljährlich von der Musikkapelle mitgestaltet wird. Beim Jugendskitag in Nesselwang begleiten die Musikanten jedes Jahr die Schuljugend mit flotten Märschen zum Wettkampfort. Dort werden alle Teilnehmer nach dem Zieleinlauf von den Musikanten mit heißen Würstchen und Semmeln versorgt, die aus der Vereinskasse der Harmoniemusik bezahlt werden. Am 21.September 1986 hatte die Musikkapelle ihren ersten Fernsehauftritt beim ZDF Sonntagskonzert auf der Schloßanger Alpe in Pfronten. Dirigent Siegfried Stöckle und Vorstand Franz Erhart verstanden es geschickt, mit viel Fleiß und Ausdauer den Anforderungen dieser neuen Zeit gerecht zu werden. Ein neues Großereignis war 1987 das 1. Nesselwanger Marktfest das seither jedes Jahr im August in der Von-Lingg-Straße und auf dem Parkplatz der Räuberhöhle veranstaltet wird. Die Harmoniemusik spielt seitdem jedes Jahr zur Unterhaltung bei diesem Fest. Der Dirigent Siegfried Stöckle bat nun um seinen Rücktritt. Da er auch zugleich Chef der Tanzkapelle „Edelsberg Buam“ ist, war ihm diese Doppelbelastung beider Kapellen zuviel. Die „Edelsberg Buam“ entstanden 1973 aus Mitgliedern der Harmoniemusik und spielten in Oberkrainer Besetzung auf. Mittlerweile hat sich die Gruppe zu einer moderneren Hochzeits-, und Stimmungskapelle umstrukturiert.
1988 wurde nun Peter Vogel aus Buching zum Dirigenten bestellt. Er war seither langjähriger Dirigent in seinem Heimatort. Doch bereits nach 2 Jahren trat er von seinem Amt zurück. Nun musste Siegfried Stöckle wieder zum Dirigentenstab greifen, kündigte jedoch an, dass er nur noch für eine zweijährige Übergangszeit als Dirigent zur Verfügung stehen werde. Er setzte wieder all seine Kräfte ein um den Anforderungen der Kapelle gerecht zu werden. Der Posaunist Theo Schall, ein leidenschaftlicher Segelflieger, stürzte mit seinem Segelflugzeug am 10. Juni 1989 am Säuling tödlich ab. Vier Wochen später, am 7. Juli 1989 verunglückte der Flügelhornist Willi Stöckle ebenfalls tödlich mit seinem Auto bei Reichenbach. Bereits wenige Wochen später verstarb sein Vater Karl Stöckle ebenfalls ein langjähriger Horn-Spieler in der Kapelle. Das waren harte Schicksalsschläge für beide Familien und auch für die Nesselwanger Harmoniemusik.
Am 23. Oktober 1991 übernahm Gerlinde Stimpfle die Dirigentenstelle der Harmoniemusik Nesselwang und löste Siegfried Stöckle auf eigenen Wunsch ab. Im Mai 1992 berief der 1. Vorstand Franz Erhart eine außerordentliche Generalversammlung ein. Er legte auf eigenen Wunsch sein Amt nieder und schied aus der Kapelle aus. Grund dafür war der plötzliche Unfalltod seiner Tochter Anja.
Franz Erhart war von 1980 bis 1992 1. Vorstand der Harmoniemusik Nesselwang und leitete mit sehr großem Idealismus und Einfallsreichtum den Verein. Dafür gebührt ihm ein großer Dank der Harmoniemusik. Nun wurde Franz Allgeier zum 1. Vorstand gewählt.
Seit Anfang 1900 wurden bei den Nesselwanger Musikanten als Belohnung für die harte Probenarbeit und die vielen Aufführungen übers Jahr Ausflüge veranstaltet. Sie führten oft ins benachbarte Tirol, Südtirol und in den Schwarzwald. Es wurden auch schöne Bergwanderungen in der näheren Umgebung gemacht, die alle erfreuten. Der alljährliche Jahresausflug fördert die Geselligkeit und den Zusammenhalt des Vereins. Die Harmoniemusik fährt seit Jahrzehnten zu Bezirksmusikfesten und beteiligt sich an deren Wertungsspielen. Die Nachwuchsausbildung der Zöglinge übernahmen seit jeher die Dirigenten selbst. Die Jungbläser wurden entweder einzeln oder in kleineren Gruppen ausgebildet. So konnten meist die Lücken der ausgeschiedenen Mitglieder ausgefüllt werden. Doch 1988 war der Nachwuchs an Bläsern sehr spärlich. Die Harmoniemusik lud Schüler mit Ihren Eltern zu einem Informationsabend ins Feuerwehrhaus ein. Der Erfolg war gut. 26 Kinder wurden zur musikalischen Ausbildung angemeldet. Die große Zahl der auszubildenden Jungbläser brachte aber auch finanzielle Probleme für den Verein, denn alle Zöglinge mussten mit Neu-, oder Leihinstrumenten versorgt werden. Seitdem konnten 20 junge Musikanten in die Kapelle eingegliedert werden. Zur Zeit sind 10 Jungbläser in Ausbildung. Die Ausbildungsleitung hat die Dirigentin Gerlinde Stimpfle. Unterstützt wird sie von den ehemaligen Dirigenten Rudi Abt und Siegfried Stöckle. Martin Keller und Thomas Huber (beide Inhaber des Dirigentenzeugnisses) unterstützen die Ausbildung der Posaunen und Trompetenbläser.
Die Harmoniemusik besteht derzeit aus 51 Aktiven Musikerinnen und Musikern. Die Dirigentin Gerlinde Stimpfle und 1. Vorstand Franz Allgeier mit der gesamten Vorstandschaft und allen aktiven Mitgliedern sind stets bemüht, bei allen gemeindlichen und kirchlichen Anlässen ihren musikalischen Beitrag aufs Beste zu geben.

Die Kapelle von 1994

Danksagung

Ein herzlicher Dank gilt allen aktiven und passiven Mitgliedern der Harmoniemusik, sowie allen Freunden und Gönnern des Vereins die zum Gelingen des 20. Bezirksmusikfestes des Bezirks III in Nesselwang beigetragen haben. Unser besonderer Dank gilt Herrn Landrat Adolf Müller für die Übernahme der Schirmherrschaft, sowie den Verfassern der einleitenden Grußworte mit ihren guten Wünschen zu unserem Fest.
Möge das Musikfest in Nesselwang dazu beitragen, die Freundschaft aller teilnehmenden Kapellen zu festigen und die Verbundenheit der örtlichen Vereine und Gruppen zu stärken. Der einheimischen Bevölkerung sowie den Gästen und allen Besuchern aus nah und fern wünschen wir musikalische und schöne Tage in “ froher Harmonie “ im schönen Markt Nesselwang.

 

Harmoniemusik Nesselwang e.V.

Diese Vereinsgeschichte in Kurzfassung wurde unter Verwendung der im Februar 1992 verfassten Chronik von Manfred Hailer erstellt.

Josef Haug